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Kommunikative und stilistische Erfordernisse der Wortwahl

Die Möglichkeit unterschiedlicher Bedeutungen und Stilfärbungen der Wörter verlangt von jedem Sprecher eine überlegte Wortwahl, soll das Gemeinte richtig verstanden werden und zu rechter Wirkung gelangen.

Hier gelten die gleichen Prinzipien wie für die Textgestaltung, insbesondere die Erfordernisse der Angemessenheit, Klarheit und Anschaulichkeit. Die Beispiele der semantischen Folgerichtigkeit (vgl. S. 40) und die der Stilfärbung verdeutlichen, daß nicht jedes Wort in jedem Zusammenhang verwendbar ist.

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Selbst wenn ein Autor bewußt oder unbewußt ein semantisch und stilistisch angemessenes Wort wählt, hat er zu prüfen, ob er nicht nur irgendein passendes Wort, sondern das treffende Wort gefunden hat. Ältere Stilistiken weisen auf die Ansicht einiger französischer Autoren hin, »es gebe für jeden Gedanken nur einen volkommen zutreffenden Ausdruck«13, das ihm eigene Wort, »le mot propre«. Es hat gegen diese Vorstellung manche Einwände gegeben, bedingt sie doch, daß es keine wirklichen Synonyme geben kann, sofern man darunter nicht Wörter von gleicher Sach- und Vorstellungsentsprechung, sondern semantisch und stilistisch bedeutungsgleiche Wörter versteht. Die zahlreichen Ausdrucksänderungen in den Manuskripten bedeutender Schriftsteller können nicht unbedingt als Verweis dieser These gelten, wohl aber zeigen sie, daß die Gefahr der unangemessenen, zumeist ungenauen Bezeichnung von Sachverhalten immer vorhanden ist. Sie ergibt sich in der Regel daraus, daß die Wörter unseres Wortschatzes eine komplexere oder eine engere Hauptbedeutung aufweisen und wir aus Gründen der Sprachökonomie und Gedächtnisentlastung die allgemeinen (oft komplexen) Ausdrücke häufiger verwenden als die besonderen.14

Man hat verschiedene Lösungsmöglichkeiten vorgeschlagen, um den treffenden Ausdruck zu fördern. An der Spitze steht der alte römische Ratschlag, eine möglichst klare Vorstellung von der Sache zu haben, die man darstellen wolle, die Wörter folgten dann von selbst (vgl. Anm. III, 70). Dieser Gedanke wird auch von Quintilian, Goethe, Schopenhauer und anderen Stilisten vertreten. Schopenhauer bemerkt z.B.: »Stil ist, daß der Mensch etwas zu sagen habe«15, und Hebbels Satz: »Das Wort finden, heißt die Sache selbst finden«16 ist ebenso gedeutet worden. Voraussetzung dafür wäre ein bestimmtes Maß an Wissen über die Dinge, ein Reichtum an Sach- und Welterfahrung, an deutlichen Vorstellungen und ein dem Wissen entsprechender Wortschatz. Der Gedanke kann jedoch auch die Folgerung einschließen, daß sich aus dem größeren Wissen der bessere Stil ergibt, so wie noch die Barock-Poetiken einen Wissenreichtum als eine Voraussetzung für den Dichter (poeta doctus) forderten. Die Erfahrungen aus der Lektüre, aber auch die Ausdrucksmühen manches belesenen Studenten beweisen zuweilen eher das Gegenteil. In der Gefühlskultur des späten 18. Jhs. wurde allerdings unter dem stilfördernden Einfluß der Gedanken auch das gefühlvolle Ergriffensein von bestimmten Vorstellungen verstanden, das zum sprachlichen Ausdruck drängt. Nicht immer gelingt jedoch die Bewältigung der Fülle des Gefühls und der Vorstellungen in der Sprache.

Übungshilfen zur Erlangung eines angemessenen treffsicheren Ausdrucks sind vor allem eigene schriftliche und mündliche Ausdrucksversuche in der Form von Aufsätzen, bei denen sich Vergleichsmöglichkeiten zwischen dem Beschriebenen und dem Sachverhalt ergeben, sowie Reden und Diskussionen.

Auch das kontrollierte Übersetzen aus anderen Sprachen vermag zur Stilschärfung beizutragen, ein Aspekt, der bei der Motivierung des Fremdspra-

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chenunterrichts, auch in den klassischen Sprachen, oft zu wenig berücksichtigt wird.

Schließlich sei auf die verschiedenen Formen der Wortschatzsammlung und -ordnung hingewiesen, die ebenfalls helfen, den mit dem Wissen gewonnenen passiven Wortschatz, die verstandenen Wörter, dem Gedächtnis zu entreißen und in den aktiven Wortschatz umzuwandeln und so für den sprachlichen Ausdruck verfügbar zu machen (vgl. S. 203).

Eine weitere Möglichkeit der Ausdrucksschulung bietet die Betrachtung stilistisch gelungener Texte, die mit dem Versuch verbunden werden kann, bestimmte Wörter durch sinngleiche oder sinnverwandte zu ersetzen und so auf ihre Angemessenheit zu prüfen. Synonymwörterbücher und Stilwörterbücher können dabei zu Rate gezogen werden.

Die Suche nach dem treffenden Wort dient ja vor allem der klaren Hervorhebung des Gemeinten. Gibt es für die betreffenden Dinge oder Sachverhalte jeweils eigene Namen, was oft der Fall ist, so sollten diese zumindest dann genannt werden, wenn der Erzählvorgang oder Gedankengang auf diese Redegegenstände stößt. In der Wiederholung können die Eigenbezeichnungen schon eher durch Umschreibungen oder Metonymien ersetzt werden. Das Verweilen bei Umschreibungen und das Verschweigen der Eigenbezeichnungen ist jedoch nur dann berechtigt, wenn bestimmte Redeabsichten oder Rücksichtnahmen auf Personen (z.B. bei ironischen Anspielungen) oder die Wahrung bestimmter Tabus (z.B. bei sexuellen Tatbeständen) dies bedingen. Die anspielende Bloßstellung bestimmter Fehlhaltungen literarischer oder wirklicher Personen kann als Stilmittel der Ironie und Satire wirkungsvoll genutzt werden.

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